4. Jahrhundert vor Christus
Angst - ein Ungleichgewicht schwarzer Galle
Der berühmteste Arzt des Altertums Hippokrates geht von der Vier-Elemente-Lehre aus: Der Mensch besteht aus vier Körperflüssigkeiten: Gelbe Galle, Schwarze Galle, Blut und Schleim. Ein Ungleichgewicht dieser Flüssigkeiten verursacht psychische Probleme und unter anderem auch Angst. Hippokrates Studien der Medizin waren bis ins Mittelalter hinein massgebend für die Medizin.
Mit Selbsterkenntnis die Angst bezwingen
Der antike griechische Philosoph Platon war Schüler von Sokrates und meint im Gegensatz zu Aristoteles, dass Angst vom Körper unabhängig sei. Die geistige Massnahme um Angst zu bekämpfen ist die Selbsterkenntnis.
Angst als Gegenstand
Für den antiken griechischen Philosophen Aristoteles bezieht sich Angst auf konkrete Objekte und kann helfen, angemessene Überlegungen zu spezifischen Situationen und Problemen anzustellen.
1632-1677
Angst als Ausdruck geistiges Unvermögens
Baruch de Spinonza war ein niederländischer Philosoph und Sohn portugiesischer Immigranten. Der radikale Philosoph, der als Begründer der modernen Bibelkritik gilt und dem Rationalismus zugeordnet wird, gehörte selbst keiner etablierten philosophischen Schule an, noch begründete er eine neue. Er selbst unterstellte der Angst, sie sei der Ausdruck “Geistigen Unvermögens”, dass Unkontrollierbares uns furchtsam mache. Vielleicht meinte er deshalb auch : Es gibt keine Hoffnung ohne Angst aber auch keine Angst ohne Hoffnung
1711-1776
Angst als Quelle der Religion
Der schottische Philosoph David Humme war ein wichtiger Aufklärer seiner Zeit, dessen Schriften auch Immanuel Kant zu seiner Kritik der reinen Vernunft anregte. Deutliche Worte fand Hume für seine Religionskritik, des von John Knox geprägten schottischen Calvinismus. Die Glaubenslehre verteufelte die menschliche Natur und war vernarrt in die Ansicht der erblichen Sündhaftigkeit auf Verheissung läuternder Höllenqualen. Auch der Philosoph selbst, wie viele andere Kinder zu seiner Zeit, wurde in diese unbenannte Angst gestürzt, wenig verwunderlich ist es daher, dass Hume in seiner «Naturgeschichte der Religion» (1757) an diese kindlichen Erfahrungen anknüpft, und seine Religionspsychologie Furcht und Angst als die wesentlichen Quellen des Religiösen diagnostiziert, dem nur der schmählich beabsichtigte Anschein der Ewigkeitshoffnung Linderung schenkt. Der aus der Angst geborene Glaube verbreitet wiederum Angst und Furcht – ein folgenschwerer Kreislauf.
1813-1855
Angst nicht gleich Furcht
Der niederländische Philosoph Sören Kierkegaard litt Zeit seines Lebens an Depressionen, was auch sein Schaffen und Denken beeinflusst haben mag. Sein Buch mit dem Titel: „Der Begriff Angst“, erhellte die Angst als Grundzug des Menschen und völlig neuen Grundbegriff der Philosophie. Allerdings sei sie entschieden von der Furcht zu unterscheiden, die einen Gegenstand habe (ein Objekt), während Angst gegenstandslos sei. Man fürchte sich zwar „vor“ etwas, aber man „habe“ Angst. Kierkegaard beschreibt Angst aber alles andere als allein negativ. Im Gegenteil, sie bietet dem Menschen eine Fülle an Wahlmöglichkeiten. Dabei sei Angst geradezu die Bedingung der Möglichkeit von Freiheit – damit aber auch von potenzieller Sünde. Kierkegaard, hielt fest, dass schon bei Adam und Eva die Angst die Voraussetzung des Sündenfalls ist. Beide taumeln den „Schwindel der Freiheit“ angesichts der Frage, ob sie die Frucht der Erkenntnis nun essen mögen oder nicht.
1842-1910
Man flieht nicht, weil man Angst hat, sondern man hat Angst, weil man flieht
Der US-Amerikaner William James war der Begründer der Wissenschaft der Psychologie amerikanischens Stils und gilt als Mitbegründer der Philosophie des Pragmatismus. Wenig verwunderlich sind daher auch seine Ansichten bezüglich Angst: „Man flieht nicht, weil man Angst hat, sondern man hat Angst, weil man flieht.“ und sein pragmatischer Rat: Nicht fliehen soll man vor seinen Ängsten, sondern auf sie zu gehen. (> Expositions Therapie) Ein Kopfstand für unser übliches Denken bezüglich Angst: Denn gilt diese normalerweise als ein wirksames Warnsignal, dass wir die Flucht ergreifen bzw. den Rückzug antreten sollten. Kein Wunder suchen die meisten Menschen die Dinge oder Situationen zu meiden, die ihnen Angst einflössen.
1856-1939
Psychoanalyse - alles wegen Angst
Der Österreicher Siegmund Freud ist der Begründer der Psychoanalyse und gilt als einer der einflussreichsten Denker des 20. Jahrhunderts. Die Furcht entspricht bei ihm der sogenannten ”Realangst”, wohingegen die Angst in der Psychoanalyse die neurotische Angst (auch Erwartungsangst) beschreibt. Zu Diagnosezwecken wird diese in frei flottierende dauerhafte Ängste, Phobien und Panikerkrankungen unterschieden. Durch das Denkschema des psychoanalytischen Instanzenmodells betrachtet, wird Angst durch unvereinbare Ansprüche von Es, Über-Ich und Umwelt ausgelöst, die im Konflikt mit dem Ich stehen. Oftmals ist die Angst (Sexual-)Impulsen verschuldet, deren Energie sich (Libido) nicht entladen kann und verdrängt wird (Angstneurose). Freud entwirft in Hemmung, Symptom und Angst 1926 eine weitere Theorie, die eine Umkehrung dessen darstellt: Hierbei ist Angst der Ursprung für Verdrängung, denn eine ungelöste Auseinandersetzung des Ich mit dem Es resultiert in Es-Angst, eine ungelöste Auseinandersetzung mit dem Über-Ich in Über-Ich-Angst und entsprechend eine Auseinandersetzung des Ich mit der Umwelt in Realangst.
1872
Angst und der Körper
Für den Vater der Evolutionstheorie Charles Darwin war Angst eine Reaktion auf eine körperliche Bedrohung. Er beschreibt (1872) als erster, die vielfältigen Verhaltensmuster verschiedener Situationen, wie die der Gefahr, des Sieges oder der Niederlage, und versteht diese als emotionale Reaktionen, die aus motorischen und somatischen Komponenten bestehen. Er behandelt sie in seinen Forschungen als wichtige Komponenten, um sich erfolgreich an die Forderung einer Umgebung anzupassen. Des Weiteren beachtet er Angst als ein angeborenes und erlernbares Charakteristikum von Menschen und Tieren die sich, durch den Prozess natürlicher Selektion, über zahlreiche Generationen hinweg entwickeln. Beobachtbare Anzeichen von Angst sind Zittern, Vergrösserung der Pupillen, Schweissausbrüche, aufstellen der Haare, Veränderung der Stimme und merkwürdige Gesichtsausdrücke. Auch die verschiedenen Angst-Intensitäten beschreibt er als milde Befürchtungen oder gar eine Überraschung bis hin zu erheblichen Qualen. Auch heute noch bilden Darwins Erkenntnisse die theoretische Grundlage für die neurobiologische Erforschung von Angstzuständen.
1889-1976
Angst und Existenz
Laut dem deutschen Philosophen Heidegger wird sich der Mensch in der Grundstimmung der Angst seiner Endlichkeit bewusst. Mit diesem Wissen über seine Existenz, fühlt sich der Mensch zum einen dem Leben und seinen Gesetzen ausgeliefert, er wurde in dieses”hineingeworfen”, zum anderen erkennt der “Geworfene”, so Heidegger, aber gerade in dieser Sinnlosigkeit des Lebens, dass er sich selbst gestalten muss, sich einen individuellen Wert und Sinn verleihen. Sich sozusagen einen Entwurf seiner selbst erstellen. Daher behauptet der Existenzialist auch: Der Mensch lerne sich in der Angst als "geworfenen Entwurf"kennen. Weil diese Erkenntnis dem Menschen später nicht mehr frei gibt, formt sie ihn unterbewusst und macht das gefühl der Angst zeitgleich zu einem, dass den Menschen kennzeichnet.
1908
Die Messlatte der Angst
Die US-Forscher Robert Yerkes und John D. Dodson fanden heraus, dass Angst durchaus auch ein förderliches Gefühl ist, das nur im Übermass blockierend wirkt. Bei mittlerer Erregung sei die Lernleistung am besten, bei zu geringer oder zu hoher Erregung hingegen am schlechtesten. Ein mittleres Angstlevel nach dem Yerkes-Dodson-Gesetz kann demnach im Falle einer Prüfung oder eines Vortrags zum besten Ergebnis führen.
1915
Moderner Mensch ≠ moderne Angst
Walter Cannon's Fight or Flight Theorie besagt, dass es auf Lebensgefahren seit Urzeiten zwei Reaktionen gibt: Entweder Flucht oder Angriff. Was für den frühen Menschen allerdings eine sehr nützliche Methode war, um schnelle Entscheidungen bei Gefahr zu treffen, schränkt die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns heute ein. Bei Stresssituationen will es auf Flucht oder Angriff reduzieren, was kontraproduktiv und blockierend sein kann, da die heutigen Probleme der Menschen komplexer geworden sind.
1928
Vorreiter zum Verständnis und der Differenzierung von Angststörung
Der US-amerikanische Psychiater Donald Franklin Klein erachtete als erster die Panikstörung als ein eigenes Störungsbild, gegenüber generalisierten Ängsten. Während seiner Assistenzarztzeit in New York fiel ihm auf, dass das dazumals an Angstpatienten verabreichte Neuroleptikum Chlorpromazin nicht jedem Patienten zur Besserung verhalf, sondern dessen Zustand sogar noch verschlimmerte. Wenig verwunderlich, denn half das Medikament erfolgreich bei Schizophrenie, wurde aber auch an Angstneurose Patienten verabreicht, weil der Ursprung von Schizophrenie damals, wie alle psychische Störungen seit Freuds Psychoanalyse auf Angst zurückgeführt wurde. Klein schloss aus weiteren Untersuchungen mit dem Mittel Imipramin, dass Panikattacken auf andere pathogene Prozesse zurückgehen, als nicht Panik bezogene Ängste. Seine Theorien halfen die Unterscheidung zwischen Angst und Furcht weiter zu differenzieren, die viel zum Verständnis von Angststörungen beitrugen. Klein sah die Panikstörung als genetisch vermittelte, neurochemische Störung an, die zu plötzlichen und wiederkehrenden Erregungsanstiegen führt, hierbei interessierte ihn auch die Respiration (Atmung) interessierte ihn stark was in weitergehenden Überlegungen zu der False suffocation Alarm-Theorie führte. Zwar sind aus heutiger Sicht die Annahmen seiner Theorien weitgehend falsifiziert, aber durchaus als Anregung für die Forschung zu würdigen.
1943
Angst und Fluchtreflex
Laut dem schwedischen Neurowissenschaftler Arne Öhman findet sich der Ursprung des Angstgefühls im Jäger-Beute-Rennen. Um dem Tod durch Erbeuten zu entgehen ist es für das potenzielle Beutetier von grosser Wichtigkeit wachsam, aber auch furchtsam zu sein, sprich: zu fliehen, wenn es um das Leibliche geht (=Fluchtreflex). Auch die oftmals eintretende Schockstarre durch Erschrecken hat ihren evolutionären Grund. Viele Jäger reagieren auf Bewegung und können durch Stillhalten das Interesse an dem Beuteobjekt verlieren. Natürlich heisst es auch hier: Beine in die Hand, wird man entdeckt.
1948
1984 - Die Angst von heute
Der englische Schriftsteller Eric Arthur Blair, bekannter unter seinem Pseydonym George Orwell, zählt dank seinen Dystopien wie “Farm der Tiere” heute zu den bedeutendsten Schriftstellern der englischen Literatur. Sein 1948 erschienener Roman “1984”, thematisierte die finstre Vision eines totalitären Überwachungsstaates. Ein aktuell Angst schürendes und viel diskutiertes Thema, dass mit Whistleblowern wie Snowden, und dem 2016 erschienen Film über diesen, zum festen Bestandteil der Medienlandschaft des 21. Jahrhunderts gehört.
ab 1950
Angst und Neurologie
Die Hinweise, dass an Emotionen spezialisierte Schaltkreise des Gehirns beteiligt sind, die in der stammesgeschichtlichen Entwicklung der Säugetiere weitgehend erhalten blieben, häuften sich bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Thema Emotion hatte lange zeit unter dem Vorwurf der Subjektivität gelitten. Die Ursache hierfür war, dass die Mehrzahl wissenschaftlicher Ansätze nur unzureichend zwischen den auftretenden Reaktionen, bei denen das Gehirn für unser Leben bedeutsame Reize detektiert, und den Prozessen der bewussten Wahrnehmung dieser Vorgänge unterschied. Die Kognitionswissenschaft vollzog diese konzeptionelle Trennung von Anfang an. Zudem waren die zugrundeliegenden neurobiologischen Prinzipien, trotz zunehmender Zahl untersuchter emotionaler Leistungen, kaum ableitbar. Erst die Fokussierung auf das “Furchtsystem” Ende 20. Jahrhundert stellte einen Paradigmenwechsel dar. Zu dieser Zeit wurde die Emotion der Furcht, durch Operationalisierung, systematisch experimentell fassbar.
1950
Angst und Reizsubstitution
Der US-Amerikanische Psychologe und Sozialforscher John Dollard und der ebenfalls US-Amerikanische Psychologe Neal Elgar Miller führten anhand Behaviorismus Theorien ihre Gedanken weiter und entwickelten gemeinsam ihre frustration-aggression hypothesis. Anhand dieser stellt Angst eine erlernte Reaktion auf einen Reiz dar. Der auslösende Reiz kann hierbei verallgemeinert sein und sich auf praktisch wahllose Objekte ausdehnen. Im Behaviorismus wird dies Reiz-Substitution genannt.
1967
Angst haben, Mensch sein
Der US-amerikanische existenzialistische Psychologe Rollo May beschrieb Angst als einen wesentlichen Faktor, der zur Menschlichkeit beiträgt. Seine Angstdefinition besagt, dass Angst von der Auffassung der Bedrohung eines Wertes abhängt, den das Individuum für sein Dasein als Selbst wesentlich hält» («the apprehension cued off by a threat to some value which the individual holds essential to his existence as a self» ,in: The Meaning of Anxiety, 1967, S. 72) In der “Existential-Psychotherapie” wird die Annahme verfolgt, dass alle Angst ihren Ursprung in der Konfrontation mit Unausweichlichkeiten oder Machtlosigkeiten, wie Tod oder totaler sozialer Isolation hat.
2011
Angst in den Genen
Seit 50 Jahren weiss man, dass die Stärke der Ängstlichkeit auch erblich bedingt ist. Im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung, haben Eltern, Kinder oder Geschwister eines Angst-Patienten ein drei- bis sechsfach erhöhtes Erkrankungsrisiko. 2011 entdecken Forscher des Universitätsklinikum Münster erstmals, dass es unter den bisher 30-100 erforschten Genen, die mit dem Angst-Risiko in Verbindung gebracht werden, ein Hauptgen gibt, dass bei Mensch, wie bei Tier, eine wichtige Rolle bezüglich Angst spielt. Untersuchungen mit Mäusen erbrachten, dass ein funktionierendes Neuropeptid-S-System notwendig ist, um nicht krankhaft Angst zu haben. Dies geschieht, weil die kleinen Nerven-Botenstoffe (Neuropeptide) das Zusammenspiel von Nerven-Botenstoffsystemen wie Serotonin (Glückshormon) und Adrenalin (Stresshormon) indirekt beeinflussen. Mit Erkenntnissen über die Genetik und deren Zusammenhang bei Angsterkrankungen, werden mittelfristig neue Möglichkeiten erschlossen, effektive Medikamente zur Angst-, oder Depressionstherapie zu entwickeln und diese gezielt auf den Patienten und dessen Krankenbild anzuwenden, da Untersuchungen feststellen können welche genetischen Mutationen bei Angsterkrankten signifikant häufiger vorkommen.